Jahresrückblick (13) – La Rokoko

La Rokoko ist der Zusammenschluss dreier Freiburger DJs und Produzenten. Musikalisch bewegen sich die Mittzwanziger zwischen Disco, House und Techno. In ihren Sets zeigen sie eine – seit jeher seltene – Bereitschaft zum Risiko, denn sie brechen gerne die für gewöhnlich starren Strukturen des Viervierteltakts auf und lassen dezent gebrochene Tanzrhythmen à la Drexciya oder im Stile des Labels Stones Throw einfliessen. Zudem arbeitet das Kollektiv zuhause im eigenen Studio an eigener Musik, einem rohen Maschinenfunk, herausgearbeitet aus einer Vielzahl analoger Drummachines und Vintage-Synthesizer (siehe auch: Badische Zeitung). Dem Kollektivgedanken entsprechend, stammt der Jahresrückblick von allen drei Mitgliedern.

Love. Love. Love. 
[Der musikalische Höhepunkt 2012: Lieblingsalbum, Lieblings-EP, bestes DJ-Set, beste Clubnacht 2012]

EP: Acido 010 – Transilvanian Galaxi – You Always Have Been the Caretaker
Hierauf besonders das Stück „God DR-55“, das der ersten programmierbaren Drummaschine aus dem Hause Boss/Roland Tribut zollt und damit andächtig auf den Urknall einer musikalischen Bewegung zurückschaut, als deren entgleiste Nachkommen wir uns begreifen. Eine großartige EP auf, wie ich finde, einem der momentan besten europäischen Labels. (Jonas)

DJ-Set:
Meine persönlichen Höhepunkte waren sicherlich die letzten 2 Stunden von ATA (Krautrockdiscofunkinshit) und das Live-Set von Kassem Mosse im Hinterhof (Basel), Ben Ufo und Tama Sumo auf der Nachtdigital 2012 und Marcellus Pittmann auf dem Stadtmusik-Festival (Basel). Alle Sets haben mich technisch, strukturell (Spannungsbögen), wie auch in der Trackauswahl, inspirieren und begeistern können. (Chris)

Clubnacht: 5 Stunden DJ-Set von Theo Parrish im Club Zukunft (Zürich): Cooler Club, Top Anlage, angenehme Leute, keine IPhone-Paparazzi, 1A Warmup-Set (Kejeblos). Zu Theo Parrish: Keine Ahnung, was da abging, aber das war der geilste Scheiß, den ich je miterlebt habe. Den Shark-and-Analyze-Modus habe ich schon nach einer halben Stunde aufgegeben und ich war einfach nur “Gast”. Bei diesem Gastgeber blieb mir auch nichts anderes übrig, als mich von diesen – meist transatlantischen – Köstlichkeiten verwöhnen zu lassen. Trotzdem noch eine kleine Nerd-Anekdote: Natürlich alles vinyl only – bis auf eine CD: Theo Parrish – Falling Up?! (Manu)

Magisch waren u.a. für mich diverse „Outdoor-Geschichten“ und Veranstaltungen in „Off-Locations“, die eher nicht im Clubkontext anzusiedeln sind. Die Atmosphäre ist ungezwungener, freier und meist auch musikalisch Experimentieller, als man es im Club gewohnt ist. (Chris)

Album: Kassem Mosse & Mix m.up auf Trilogy Tapes. Hier gibt es nichts als rohen Maschinenfunk, wie man ihn aus den Live-Sets eines Gunnar Wendel zu hören gewohnt ist. Ich mag es, wenn den Stücken noch in Teilen Merkmale ihres Entstehungsprozesses anzuhören sind. Sessioncharakter ist, glaube ich, ein Begriff, der hierfür oft gebraucht wird. Diesen fast schon überbordenden Sessioncharakter in „MM/KM“ möchte ich gerne als eine Antithese verstehen, gegen das allzu öde Baukastenprinzip gängiger Software-Only Produktionen. Im selben Atemzug wäre übrigens auch Juju & Jordashs Album „Techno Primitivism“ zu nennen, das ich nicht minder hervorheben möchte. (Jonas)

Shigeto ‎– Lineage – Ghostly International….Wonderfull feelings in there! (Chris)

Hate. Hate. Hate.
[Der musikalische Tiefpunkt 2012: Schlechtestes Album, schlechteste EP, schlechtestes DJ-Set, schlechteste Clubnacht 2012]

Was persönlich nicht gefällt wird nicht gehört. Ich wurde von einigen Hochkarätern auch enttäuscht, was sicherlich auch meiner erhöhten Erwartungshaltung geschuldet ist. (Chris)

Wer sein ganzes Leben lang nur gute Musik gehört hat, werfe den ersten Stein… Genau! Schlechte Musik findet immer eine Zielgruppe und ist auch notwendig für die musikalische Entwicklung des einzelnen. Wichtig ist nur, dass die Einsicht irgendwann kommt, sonst tritt man jahrelang auf der Stelle und nicht mehr die Musik ändert sich, sondern nur der Name der Stilrichtung. Schrott bleibt leider Schrott, auch wenn man Schrott in Deep House umbenennt. (Manu)

AbletonLive-Live-Sets mit AbletonLive-Controller; Instagram und alles, was mit Medien nach diesem Muster verfährt, insbesondere im Bereich Sound; Den Vintage-Gedanken als solchen und das eigene Affiziert-sein davon; die unkritische Berlin-Berghain-Begeisterung in der Provinz; das gegenseitige sich-gut-finden in der Szene, als Verwechslung von „Ich mag dich“ und „mir gefällt was du machst.“(Jonas)

Check. Check. Check.
[Welches Album, welche EP, welchen DJ muss man 2012 unbedingt noch anhören?]

Unsere „New Years Eve-Session“ zusammen mit Perigee, Simonis, Kollektiv Be und David Hillmann am 31.12.2012 im Kyosk. (Chris)


Forget. Forget. Forget.
 [Welches Album, welche EP, welchen DJ kann man getrost vergessen?]

Einige, dem Alkohol geschuldete Nächte in Freiburg, die man im Nachhinein bereut und sich am nächsten Mittag mit dröhnendem Schädel fragt, warum man eigentlich hin ist. Man wusste doch schon im Voraus, dass es Scheiße wird. Enttäuscht von Musik, DJs, PA und Publikum. (Chris)

Genre-spezifische Soundlibraries à la „Deep-House-Drums“. Auch 2012 wieder ganz groß im Game. Man sollte sie wirklich vergessen. Statt beim beim Versuch, wie die Lieblingsplatte zu klingen, etwas neues entstehen zu lassen, geschieht hier etwas viel schlimmeres: Man klingt tatsächlich wie die Lieblingsplatte. Worst Case! (Jonas)

Old is gold.
 [Deine Wiederentdeckung 2012?]

„Old is gold“ gilt für uns ganz selbstverständlich, denn kaum eine Platte, die wir 2012 gespielt haben, ist tatsächlich in diesem Jahr erschienen. Aber im Sinne der Wiederentdeckung möchte ich hier „Rose Rouge“ von St. Germain nennen. Die 12” wurde mir zum 18. Geburtstag geschenkt. Oft gehört, dann vergraben und vergessen. Erst vor kurzem hat sie Chris in einer verstaubten Plattenkiste mit Ausschussware gefunden. Die Blechbläser-Soli in dem Stück sind ein furchtbares Klischee, aber mit dem heutigen Zeitabstand schon eher eine ironische Pointe und zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, ist die Platte doch eine Waffe. (Jonas)

Die 2005 auf Vinyl veröffentliche Analord-Reihe wurde von Rephlex 2009 auch digital mit diversen Unreleased Tracks re-released. U.a. war auch dieses Meisterwerk dabei: AFX – Stabbij (Manu)

Madlib – Distant Land. Ich habe mir dieses Jahr ein persönliches „HipHop-Revival“ als „WarmUp“ bei tageins gegönnt. Dabei durfte diese Scheibe nicht fehlen. (Chris)


So wird 2013?

Als Vorsatz für uns alle drei: Den Sound dreckig und die Butze sauber halten! (Jonas)

Mehr im Web:

Facebook: La Rokoko
Soundcloud: La Rokoko

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