Etwa sechs Jahre ist es her, dass das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg in einem Konzert neben Bruckners Sinfonie Nr. 9 auch Stücke des italienischen Komponisen Giacinto Scelsi spielte. Scelsi war mir zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Deshalb nahm ich an der Einführung in das Werk vor Konzertbeginn teil.
Die Referentin konzentrierte sich vor allem auf den 1905 in La Spezia geborenen Scelsi. Ein biographisches Detail erinnert mich heute ein wenig an viele House-, Techno- oder Bassmusik-Produzenten: Der italienische Komponist liebte es Zeit seines Lebens, seine eigene Persönlichkeit durch das Streuen von Falschinformationen zu verwischen und verschleiern. Er legte ausserdem grossen Wert darauf, dass von ihm kein Bild in der Öffentlichkeit gezeigt wurde.
Ferner las die Referentin aus einem Brief Scelsis vor, der, weil an der Seele erkrankt, zu einem Aufenthalt in einem Sanatorium in der Schweiz gezwungen war. Scelsi schrieb unter anderem, dass er oft im Musikzimmer sass und stundenlang ein und dieselbe Klaviertaste anschlug. Der repetitive Anschlag besitze eine heilende Kraft, die ihm gut tue, wenn er sich in einen einzelnen Ton versenke, gehe es ihm gut, befand er. Diese Erfahrung hat Scelsi in seinem Spätwerk verarbeitet, beispielsweise in den vier Orchesterstücken “Ciascuno di una sola nota”.
Asketisch reduzierte Instrumentierung, ostinate Rhythmen, architektonische Gliederung – diese Strukturen finden wir auch in den zwei Stücken “Resolve” und “Prototype Fear”, die Hodge auf dem Label Punch Drunk Records veröffentlicht hat. Hodge, der eigentlich Jacob Martin heisst, kommt aus Bristol.
Er gehört zum Umfeld der Label Livity Sound, Idle Hands, Tanstaafl und BRSTL, wo er jede Menge Platten als Outboxx, darunter das wunderschöne selbstbetitelte Debütalbum, veröffentlicht hat. Zudem verbringt er mit Punch Drunk-Gründer Tom Ford alias Peverelist / Pev jede Menge Zeit im Studio. Erstes Ergebnis dieser Zusammenarbeit: die EP “Bells (System Mix / Dream Sequence)“, die irgendwann im Mai oder Juni 2013 erschien.
Auf der vorliegenden Platte beweist Hodge erneut ein Gespür, zwei gegensätzliche Stimmungen verbinden zu können. Da ist einmal der warme, tieffrequente Bass, dessen Figuren Schutz und Geborgenheit vermitteln. Da sind aber auch die Synthesizerflächen, die sich wie Schleier über den Bass und das Rhythmusgerüst legen. Sie strahlen eine kalte Helligkeit aus, verstören, verängstigen.
Verstärkt wird dies durch Kombinationen scharfer, kantiger Hi Hats und Rim Shots. Sie klingen, als ob jemand im Hinterhof eines Hauses auf eine Tonne – Resolve – oder Regenrinne – Prototype Fear – einschlägt. Da ist es nur logisch, dass etwas zu Bruch geht, seien es Fensterscheiben, Gläser oder Flaschen. So legt Hodge auch klirrende, klackernde Effekte über die Tracks.
Mehr zu Hodge / Punch Drunk Records:
Facebook: Hodge
Soundcloud: Hodge
Electronic Explorations: Mix Show – Hodge
Sonic Router: Sonic Router Mix – Hodge
The Quietus: Hodge Talks The Future Sound Of Bristol
Soundcloud: Punch Drunk Records
Webseite: Punch Drunk Records