Zürich war und ist, jedenfalls für mich als Aussenstehenden (und damit einem neutralen Beobachter gleichkommend) ein fruchtbarer Boden für Kunst und Kultur. Zahlreiche Einrichtungen dokumentieren das reichhaltige Schaffen über die Jahrhunderte hinweg, sei es auf dem Gebiet der Grafik, in der Malerei (u.a. Kunsthaus Zürich mit Sammlungen von Giacometti, Munch,…), der klassischen Musik (Tonhalle-Orchester Zürich, Opernhaus Zürich, das u.a. die Uraufführung von Alban Bergs “Lulu” für sich verbuchen darf) oder in der Literatur (u.a. Max Frisch, Thomas Mann, Hermann Hesse).
Diese gefestigte Kulturlandschaft, so scheint es mir jedenfalls, bildet auch den Nährboden eines überaus vielseitigen Nachtlebens und einer diversifizierten Clubkultur, die zahlreichen Klein- und Kleinstszenen die Möglichkeit zum Rückzug und zur gleichzeitigen Entfaltung bietet. Mag sein, dass ich dazu neige, das (club-)kulturelle Leben dieser Stadt auch ein wenig überhöht darzustellen, dass ich bedeutungsschwanger auflade, was für einen Ortsansässigen völlig alltäglich und belanglos erscheinen mag.
Genug des scheinphilosophischen Aufpolierens! Fest steht: in der Limmatstadt geht etwas in Sachen elektronischer (Club-)Musik. Und einer, der sie fördert und mit Leben erfüllt ist Demetrio Giannice. Er ist schon seit einigen Jahren aktiv im Züricher Nachtleben unterwegs als DJ und Nachtmacher, betreibt mit Enterbt Records ein eigenes Label (für dessen im Herbst diesen Jahres erscheinende EP “Mini Sampler EP Two” der, ebenfalls Züricher, Alex Storrer a.k.a. Lexx einen Track namens “Soothe Your Soul” beisteuern wird), hat dort bereits eine EP herausgegeben (“Casdett EP“, http://www.discogs.com/Demetrio-Giannice-Feat-Dick-Diggler-Casdett-EP/release/1472673) und veröffentlichte vor kurzem sein erstes Schaffenswerk auf Third Ear, die “Talk EP“.
Dieses im Süden Londons anzusiedelnde Label bietet seit rund sieben Jahren Heimat für einen eng mit der Stadt Detroit verbundenen Sound. Das zeigen Produktionen von Theo Parrish, Delano Smith und zuletzt Norm Talley (“The Journey / In Yo Soul“, http://keep-it-deep.blogspot.com/2009/05/norm-talley-journey-in-yo-soul.html) sowie die von mir heissgeliebte Detroit Beatdown-Reihe, die hier ebenfalls erschienen ist.
“Talk” auf der A-Seite besticht mit einem dicken und dunklen Groove, mit detailreichen und surrealen, teilweise metallischen Sounds im Hintergrund und Vocal-Schnipseln über den ganzen Track hinweg, die mich auf einen delirienhaften Trip zu schicken im Stande sind. Wenn das Original bereits mit “delirienhaft” und “Trip” beschrieben wird, was sind dann die angemessenen Worte für den “Beatdown Edit” dieses Stückes? Dieser stellt doch ein auf acht Minuten ausgedehntes bedrohliches Klangszenario dar, das einen unweigerlich erschaudern lässt. Mir scheint, als ob hier jemand versucht hat, den dämonischen Charakter der Musik herauszulocken. Eine düstere, von Novembernebelschwaden verhangene Moorlandschaft ist nichts dagegen. Auf der B-Seite, bei “Rock Me“, ist alles auf die Tanzfläche ausgelegt, sozusagen heruntergestrippt auf Knochen und Triebe. Ein zackig punktierter Rhythmus, eine wuchtige, monoton-treibende und aus einem verschwitzten Keller kommende Bassline, ein paar wenige Clap- und Synthie-Elemente. Der zweite Track hat einen fürwahr schrägen Namen: “whatididwithmikeswavetoneno5 (third ear mix)“. Laut Auskunft des Labels liess hierfür der Detroiter Mike Huckaby ein paar seiner Waldorf Wave Synth-Samples an Demetrio Giannice zukommen, der sie umgehend zu einem höchst funkgeladenen Track verarbeitet hat (klar, was sonst [lach]). Eine sehr futuristisch-funkige Interpretation zeitgenössischer Clubmusik.
Bin schon sehr gespannt, was der Züricher Feines für das Label Drumpoet Community abliefern wird. Da ist er nämlich für eine der nächsten Releases vorgemerkt.
Mehr im Web:
http://www.myspace.com/demetriogiannice
http://www.third-ear.net/
http://www.myspace.com/enterbtrecords