Das Stimmungsbild, welches der Begriff “Balearic” um- beziehungsweise beschreiben soll, in eine adäquate sprachliche Form zu giessen, ist eine kaum zu bewerkstelligende Aufgabe. In der Auseinandersetzung damit, in der Annäherung an ihn, lässt sich zwar eine Schulbuchantwort geben, die zwar keineswegs falsch ist, mich aber nicht mit vollständiger Befriedigung erfüllt: “Balearic ist, was damals, Anfang der Achtziger Jahre, DJ Alfredo auf Ibiza gespielt hat. Es ist diese Mischung aus Disco, Italo, (Proto-)Electronica und Proto-House sowie New Wave…” Und so weiter. Ein gut gefüllter Zutatenkorb. Doch ist das wirklich alles? Fehlt da nicht irgendetwas? Sommerliche, eben eine “balearische” Leichtigkeit im Sound, das Gefühl von Unbeschwertheit, eben eine “balearische” Unbeschwertheit, lassen sich gleichsam als Geschmacksverstärker, als die Begriffslosigkeit ausfüllende Glutaminsäure einfügen.
Nun ja. Gefühl. Der mehrheitlich rational denkende und handelnde Mensch, der zudem die DJ-Sets eines Alfredo nicht vor Ort miterlebt hat und somit auf keinen Erfahrungswert zurückgreifen kann, verlangt nach einer formelgleichen Wendung mit Allgemeingültigkeit. Balearic ist gleich…?! Sprachgenies und Menschen mit einem unermesslich hohen musikalischen Sachverstand, wie beispielsweise ein Finn Johannsen oder ein Gerd Janson, wären dazu im Stande. Ich für meinen Teil muss mich, wie so viele andere, der Materie “Balearic” in Fragen annähern, um auf diese Weise Schritt für Schritt zum Kern des “balearic feel” vordringen zu können.
Dieser Fragestellung haben sich auch zwei altgediente DJs und Produzenten angenommen, Ampo und Timm Sure, die beiden Jungs hinter dem Projekt Coyote und dem Label “Is It Balearic?“. Jahre-, gar Jahrzehnte lange Erfahrung in der Musikszene vereint die beiden genauso wie die Leidenschaft, Platten zu sammeln und seltenen Editionen nachzuspüren. Neben der mühsamen und zeitaufwändigen Sucherei finden Ampo und Timm Sure zudem immer wieder Zeit, an eigenen Tracks und Edits zu basteln, die sie bevorzugt über ihre eigene Plattform, “Is It Balearic”, veröffentlichen – meist mit einem Remix befreundeter Künstler. Rune Lindbaek, Aeroplane, Windsurf, und einige andere Vertreter spacig-discoid angehauchter Sounds lieferten in der Vergangenheit schon einen Beitrag ab.
Nachdem die balearischen Kojoten im Vorjahr ihr erstes Studio-Album unter dem Titel “Harlyn Bay” unter das Volk gebracht haben, melden sie sich pünktlich zum Sommerbeginn mit einer weiteren 12″ zurück. “Moving“, so heisst diese, erscheint jedoch nicht auf ihrem eigenen Imprint. Veröffentlichungsplattform hierfür ist das kleine Label International Feel Recordings, dessen Herkunft im Land des ehemaligen Fussball-Weltmeisters Uruguay (1930, 1950) zu verorten ist. Ob dies für bare Münze genommen werden darf, kann ich nicht beurteilen, und trägt zur Aussage über die Qualität der drei Tracks auch gar nichts bei.
Kraftvoll marschiert auf “Moving” der Offbeat und treibt Anhängern und Liebhabern von Disco, Deep House und Garage gleichermassen nostalgieschwere Tränen in die Augen, lässt sie von all den Tracks der – beispielsweise – Basement Boys, Crystal Waters, Mike Delgado oder Roy Davis Jr. träumen, die damals, in den ersten Neunziger Jahren, nicht nur die Tanzbretter des New Yorker Untergrunds aufheizten. Mit Still Going haben Ampo und Timm Sure ein DJ-/Produzenten-Duo für einen Remix gewinnen können, die den vielzitierten New Yorker Club-/Underground-Sound dieser Zeit mit der sprichwörtlichen Muttermilch aufgesogen haben. Denn zu Still Going zusammengeschlossen haben sich Eric Duncan, ein Teil von Rub’n’Tug, sowie Olivier Spencer, der vor allem als Teil von House Of House für mächtig Furore sorgte. Endlosloop, Snare-/Clap-Gewitter, Dubs und Hall, von letzterem für meinen Geschmack etwas zu viel, aber…höre ich da von Ferne jemand “Brett” flüstern?! In Richtung episch angelegten, poppigen Midtempo-Song zielt schliesslich Coyotes Remix für die International Peoples Gang. Gesangspart in verhältnismässig hoher Stimmlage, monoton angeschlagener Klavierakkord, melancholische Streicher – opulent arrangiert, beinahe theatralisch ausladend, so muss Disco sein.
English (short) version: I’ve been thinking and thinking about the much talked-about balearic feel or balearic sound. What let me come closer to it are the mixes and tracks carefully produced by Coyote, a dj and producer duo hailing from “somewhere nice” in Great Britain. On their most recent release, they carve out a early / mid-nineties house/garage and very disco-ish sounding groove, creating a funky slice of music. Remix by Still Going, which is not a 100% mine, but…still great package!
Mehr im Web:
Coyote @ MySpace
Still Going @ MySpace
Is It Balearic @ MySpace
International Feel Recordings @ Soundcloud
Coyote Howl Blog
Coyote – Interview @ The Electric Disco
Coyote – Flying South Mix @ AOR Disco