Cosmic Cowboys – Lost In Berlin EP

Ein schneidend kalter Wind weht mir unbarmherzig ins Gesicht. Wie feine Nadeln aus Eis sticht jeder Luftzug auf meine Wangen ein. Die Augen tränen. Das Atmen fällt schwer. Ein Blick zurück, über die Schulter. Verschlossen ist die Tür, durch die ich vor Stunden einen Ort betreten habe. Es ist ein Ort, an welchem an manchen Tagen die Frage nach der Uhrzeit sich nicht stellt. Es ist ein Ort, der seinen Besuchern eine grenzenlose Freiheit verspricht, und diese dennoch dem Diktat von Rhythmus und Musik, von Tanz und Rausch, anheim gibt. Es ist ein Ort, an welchem Fern- und Selbstbestimmtheit sich nicht ausschliessen. Heimisch und geborgen fühlt ich mich hier, und dennoch so fremd und verloren.

Vielleicht haben Nicola Sansoni und Kaled Jabari, die Cosmic Cowboys, während eines Aufenthalts in der bundesdeutschen Hauptstadt Berlin Ähnliches erfahren, das sie letzten Endes zur Arbeit an einer 12″ mit dem Titel “Lost In Berlin” beeinflusst hat. Vielleicht ist dieser Titel auch nur ein Baustein ihrer Marketingstrategie, um ein Mehr an Aufmerksamkeit auf ihr Schaffenswerk hervorzurufen. Ich weiss es nicht. Letzteres hätte das italienische DJ- und Produzenten-Duo aus der Lagunenstadt Venedig eigentlich nicht (mehr) nötig. Denn wenn man sich ihren Release-Katalog auf Discogs einmal anschaut, wird man sehr schnell feststellen: die beiden Jungs haben einen ordentlichen Output zusammengetragen, ein gutes Dutzend Releases auf Label wie Trenton, Musik Gewinnt Freude oder Ostwind Records.

Die “Lost In Berlin EP” stellt jedoch den Erstkontakt her zwischen mir und den beiden Venezianern. Wer mich kennt, kann erahnen, was mich dazu gebracht hat, die drei Tracks auf dieser Platte etwas eingehender zu betrachten, die sich irgendwo zwischen der Postadresse (Deep) House und (Minimal) Techno angesiedelt haben. Sie beinhalten nahezu alle Piano-Instrumentals, und da ich mich von Klavierakkorden, -melodien und so weiter stark angezogen fühle, musste ich die drei Stücke in voller Länge anhören. Mit dem Ergebnis: sie gefallen, auch wenn sie im Vergleich zu vielen hier besprochenen Platten doch etwas glatter gebürstet und auf Linie getrimmt sind. Doch es muss auch gute (und tanzbare) Musik abseits der ganzen Detroit-Chicago-Retro-Indoktrination geben, und dazu gehören “Lost In Berlin”, “Room 13” und “Zossener Str.” mit Sicherheit.

Der Titeltrack ist, wie die beiden anderen auch, äusserst sauber im Aufbau. Kickdrum, Bassline, kleine Effekttupfer. Mit sich wiederholenden Klavierakkorden wird Anlauf genommen. In der Folgezeit steigert sich die Intensität der Akkorde, was dem Track eine gewisse Dynamik verleiht. Nach nochmaligem Schwungholen – unterstützt durch die zwei kurzen Breaks – packen die Cosmic Cowboys noch eine String-Synthfläche darunter, fügen hallende, knackende und knarrende Soundeffekte hinzu, und fertig ist die tanzflächenkompatible Nummer. “Tanzflächenkompatibel” – das liest sich so respektlos. Damit ist jedoch lediglich gemeint, dass “Lost In Berlin” mit seinen Piano-Akkorden und Arme-Hochreiss-Pausen etwas zu vorprogrammiert erscheint. Für Selbstverlorenheit und Selbstvergessenheit, für ein “lost in Berlin”, reicht das (noch) nicht aus. “Room 13” setzt weniger auf kurzfristige Serotoninausschüttungen, orientiert sich vielmehr an einer starken Groovebezogenheit und fährt damit auf dem sicheren Kurs entschleunigter House Musik. In diesem Garten der Entschleunigung bleiben die Cosmic Cowboys auch mit dem dritten und letzten Track der EP, “Zossener Str.” Dieses Stück wird bestimmt durch ein verspieltes Klaviermelodie-Motiv, welches sich fast unablässig wiederholt. Begleitet wird es von knochentrockenen Drum-Loops, Auflockerung erfährt es in den Breakdowns. Schön. Und das nur noch am Rande: ein Robag Wruhme als Kreativcoach hinzugezogen, und diese Nummer wäre unerreichbar in ihrer Art.

English (short) version: I haven’t heard of the Italian DJ and producer duo Cosmic Cowboys before. Probably it will change as they convinced me with their recent 12″ on Diebaudio, “Lost In Berlin EP”. The Cosmic Cowboys deliver three straight edged house tunes aiming at a relaxed yet groove driven dancefloor. Nice, especially the piano instrumentals.

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