Der kurze Besuch in einem Freiburger Club am vergangenen Samstagabend hat mir zu deutlich vor Augen geführt, was längst kein Geheimnis mehr ist: die technische Infrastruktur liegt nahezu vollständig brach. Doch nicht nur dies. Mit einer Ausnahme, die ich an dieser Stelle namentlich unerwähnt lasse, scheint es auch kaum einen Clubbetreiber zu berühren und zu interessieren, unter welch miserablen Bedingungen die DJs arbeiten müssen. Und letztendlich sind es gerade sie, die seinen Laden am laufen halten. Um Freunde zu treffen, ein Bier oder einen Cocktail zu trinken, muss ich einen Club nicht aufsuchen. Für mich jedenfalls definiert sich ein Club vorwiegend über das künstlerische Programm, die Musik, und die Schaffung eines Freiraums, in dem ich mich den – durch die Musik – miterschaffenen Stimmungsbildern hingeben kann. Dass diese ihre volle Wirkung entfalten kann, bedarf jedoch einer gut funktionierenden Anlage. Unter dem Eindruck der vergangenen Samstagnacht ist denn auch der folgende Text entstanden:
Die Bässe kratzen. Sie bringen jedoch keinen Lungenflügel zum Zusammenfallen. Denn ihre tiefen Frequenzen – sofern sie überhaupt wiedergegeben werden – stehen selbst unmittelbar vor dem Kollaps. Die Hi-Hats klingen metallisch, allerdings verzerrt, und sie brechen – ungewollt – zu früh ab. Selbst die ausdrucksstarken und voluminösen Stimmen der Disco-Diven vom Schlage einer Chaka Khan oder Loleatta Holloway scheppern blechern und vermengen sich mit den Mitten zu einer quälend breiigen Klangmasse.
Es ist kein Handyblaster in der Hand eines pubertierenden Jugendlichen, aus dem dieser klangmatschige Brei herausquillt. Solchen Lärm emittieren die Beschallungsanlagen nahezu sämtlicher Clubs in Freiburg. Sie verwandeln Kerri Chandlers Killerbasslines in muskelschwache, statische Torsi. Burials hypnotisierende Basswobbel geben sie wie durch einen Dampfzerstäuber gepresst wieder. Und Diana Ross? Sie heult durch den Raum wie ein Nebelhorn. Inzwischen ist es längst kein Einzelfall mehr, ein – entschuldbarer – Aussetzer während eines DJ-Sets, den DJ und Clubbesucher gleichermaßen mit einem wissenden Lächeln übergehen können. „Wie damals, Sommer soundso, in der verlassenen Lagerhalle“, könnte es bedeuten.
Man kann und darf inzwischen von einer endemischen Erscheinung sprechen, die das Ausgehen und Auflegen in Freiburg, den Clubbesuch und die Arbeit im Club, zu einer leidprüfenden Erfahrung der besonderen Art macht.
Mit ohrblutroter Farbe sollten sich deswegen in diesem Monat, besser noch in dieser Woche sämtliche Clubbetreiber Freiburgs einen Tag in ihrem Kalender anstreichen. An diesem sollten sie einmal etwas tun, was sie in den vergangenen Jahren – aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit – unterlassen haben: sich von morgens bis abends einmal der technischen Infrastruktur, der PA, in ihrem Laden annehmen. Die Anlage akustisch einmessen. Optimieren. Was auch immer. Denn sollte es tatsächlich an der Bereitschaft mangeln, Geld in die Club-PA investieren zu wollen, so muss ihr Fehlen eben mit einem erheblichen Mehraufwand an Arbeitsleistung und Zeit ausgeglichen werden.
Nicht nur, damit das Ausgehen in Zukunft wieder zu einem klanglichen Ereignis wird, an das sich Clubgänger wie auch DJs gerne erinnern. Nicht nur, damit das Ohr auf Grund der Störfrequenzen keine Doppellärmbelastungen mehr aushalten muss. Wer die Nacht als solche und den Club im Besonderen liebt, geht sowieso Woche für Woche weg. Manche zwei, drei Mal. Jede Menge Geld tragen sie in die Läden. Sollten diese etwa keinen Anspruch auch auf klangliche Qualität haben?
Es betrifft auch die DJs aus der Stadt und der Region Freiburg, meist audiophile Musikenthusiasten, sowie deren gebuchten Gäste. Ist es zu viel verlangt, dass diese ihre Arbeitsleistung unter annehmbaren Bedingungen erbringen können? Zahlreiche Schwierigkeiten erwarten sie Woche für Woche und – je nach dem – auch unter der Woche. Die Antriebsriemen oder –schrauben der Plattenspieler sind ausgeleiert. CD-Player können nicht angeschlossen werden, da kein(e) Cinch-Kabel vorhanden sind. Das Mischpult ist alkoholverklebt. Sie Systeme sind abgenutzt und nicht funktionstauglich. Die Monitorboxen setzen regelmäßig aus. Bässe, Mitten, Höhen tot. Rückkopplungen. Viele Stunden sind vergangen, in denen die DJs den Elektroschrott in Freiburger Clubs zum laufen bringen mussten. Die Unterstützung durch die Betreiber ist dabei marginal.
Natürlich wird gerade zwischen den DJs aus der Stadt und der Region und den Betreibern eines Clubs – in der Regel – kein schriftlicher Vertrag vorliegen, in dem sich die Clubmacher zu folgendem verpflichten: dafür Sorge zu tragen, dass alle benötigten Arbeitsutensilien in Stand gehalten und einsatzbereit sind. Doch auch eine Zusage am Telefon, ein bekräftigender Handschlag zwischen Clubbesitzer und DJ reichen völlig aus für einen Vertragsschluss. Somit kann und darf ein DJ davon ausgehen, dass ihm eine technische Infrastruktur zur Verfügung steht, mittels derer er den geschuldeten Erfolg – Musik machen, Leute zum Tanzen bringen, und so weiter – herbeiführen kann. Ohne dass er mit Aussetzern, Echos, Übertragungsstörungen und Gott weiß was allem noch zu kämpfen hat. Es reicht schon der Kampf an der Front der Partyatzen, denen es nicht hart und schnell genug sein kann. Die zweite, die Technikfront, die muss nun wirklich nicht auch noch sein.
Die Betreiber haben verdammt nochmal für das Vorhandensein einer solchen Anlage und deren ordnungsgemäßes Funktionieren wenigstens im Rahmen einer Nebenpflicht einzustehen. Sie haben somit auch den Kopf hinzuhalten, wenn sie diese Grundvoraussetzungen nicht gewährleisten können.
Im Arbeits- oder Dienstvertragsrecht kann ein Arbeitnehmer beziehungsweise Dienstleister seine Leistung(en) verweigern, sollte er notwendige Arbeitsmittel nicht vorfinden beziehungsweise sollten diese für einen Einsatz untauglich sein. Warum sollte also auch ein DJ seine Arbeitsleistung nicht verweigern dürfen?! Dürfen? Er MUSS sie in Zukunft verweigern, sofern er im Club auch noch technische Wartungsarbeiten übernehmen muss. Es kann doch nicht angehen, dass DJs kurz davor stehen, technische Wartungsarbeiten zu übernehmen oder erwägen, die heimische Anlage per Taxi heranzukarren, weil die Clubanlage durchgespielt ist.
Gewiss wird manch ein Betreiber nun aufstehen, eine Verteidigungshaltung einnehmen und seine Stimme erheben. Er wird Worte verwenden, die so ähnlich klingen wie „Alternativkultur“. Er wird sich auf den „Do it yourself“-Charakter von Parties berufen. Oder er wird den vielzitierten „underground“ miteinbeziehen.
Tut er dies, verkennt er jedoch die Problematik und geht fehl in seiner Argumentation. Denn es handelt sich nicht um eine Hinterhof-Party, die spontan, aus einer kurzfristigen Laune heraus organisiert wird. Auch ist nicht die Rede von irgendwelchen Warehouse-Raves, bei denen unter Zuhilfenahme eines Dieselgenerators verlassene Lagerhallen oder Industrieareale beschallt werden. Dort, in diese rohe Umgebung, gehören sie hin, die Aussetzer, Nadelspringer und Übersteuerungen. Hier haben andere Dinge oberste Priorität: der Adrenalinkick, ausgelöst durch die Tatsache, sich im Graubereich zwischen noch legal und schon illegal zu bewegen; das unbedachte, fast schon instinktgetriebene feiern. Hier erwartet der Clubgänger und Partygast auch nichts anderes. Und wird meist überrascht, denn solch halblegalen Parties sind meist besser organisiert und ihre Veranstalter technisch versierter, als die gewerblich Auftretenden.
Im Club jedoch geht es vor allem auch um die Erfahrung der Musik und des Sounds als solchem. Hier haben technische Missstände und die Versäumnisse bei der Instandhaltung und Pflege der PA fatale Auswirkungen. Sie zerstören die Freude am ausschweifenden Genuss, sei dieser auf ein musikalisches oder menschliches Ziel ausgerichtet.
Vielleicht ist es ein zu harter Vorwurf, den Freiburger Clubbetreibern eine fehlende Affinität zur Club- und DJ-Kultur zu unterstellen. Es beweist jedoch auf deren Seite ein gewisses Maß an Respekt- und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Leuten, die Nacht für Nacht, Wochenende für Wochenende Leidenschaft zum Auflegen und Feiern investieren. Es gibt kaum etwas Schöneres, als in einer Einheit von Musik, Rhythmus und Bewegung aufzugehen. Doch wenn das Einspielen einer jeden einzelnen Platte einem Vabanquespiel gleicht, weil jederzeit mit Störgeräuschen zu rechnen ist, überwiegen auf Dauer die Leiden. Beim auflegen und beim feiern. Die Leidenschaft erstirbt, und damit auch die Club- und Musikkultur einer Stadt.
Zwar wird es immer DJs geben, die bereit sind, unter noch schlechteren Bedingungen aufzulegen. Hauptsache 15 Minuten Mischpultruhm. Oder so. Auch wird es Leute geben, denen egal ist, was aus den Boxen kommt und wie es klingt. Doch wo können da der Zauber der Musik und die Magie der Nacht noch zusammenwirken.
Dieser Eintrag wird in gekürzter und leicht geänderter Fassung auch auf der Freiburger Newsplattform Fudder erscheinen.
English (short) version: To make a long blog entry short: the sound quality I get in our local clubs has constantly decreased over the years. It is extremely poor nowadays. This is not only the result of a long-term abrasion. You clearly can trace it back to a lack of predictive maintenance and repair by most of the club owners themselves. The needles are worn out, the monitor speakers cut out, the heights make your ears bleed and the bass is as shallow as a pool of sick. It is definitely NOT the djs fault. It is due to the club owner’s carelessness and highly unprofessional behaviour. Imagine an orchestra engaged to the Metropolitan Opera or Bayreuth Festival whose musicians regularly have to dig out the orchestra pit before they can give you a proper performance?! Club owners should take care of their equipment, the local djs and the artists because it is them and their music who – in the end – run the club and who deserve a lot of credit!
Ich stimme dir zu, allerdings ist der Text extrem anstrengend zu lesen, da du das Geschriebene andauernd mit anderen worten wiederholst.
I wish you’d write full English versions, not short! Damn it! 🙁
@ touchthesky: many thanks for your kind words. i’d love to write full english versions, if only i had enough time and language skills…