Was lieben und schätzen wir an Produzenten wie Kerri Chandler, Jovonn, den Masters At Work oder Motor City Drum Ensemble? Sie alle haben einen eigenen Stil als Ausdrucksform gefunden. Ihre Musik trägt eine unverkennbare Handschrift.
Kerris Bassline, Kenny Dopes Beats, der samtig-kratzige Funk eines MCDE: Diese für jeden Produzenten charakteristischen Merkmale hören wir alles aus tausenden Platten heraus. Sie bilden deshalb auch Analyseebenen, anhand derer wir andere Stücke untersuchen. Da kommen wir gar nicht umhin. Deshalb auch das ständige Rückbesinnen auf die Kategorien Chicago, Detroit, New York, die, vergleichbar mit Einheitsvektoren, den Raum aufspannen, in dem sich House und Techno bewegen.
Sich auf die Wurzeln von House und Techno besinnen, tiefer graben, zu den Wurzeln verschiedener Tanzmusiken vordringen, gehört auch zum Tagesgeschäft des jungen Freiburger Produzenten Borrowed Identity, der inzwischen für einige auch nicht mehr ganz so mysteriös ist, wie noch vor eineinhalb Jahren (Hintergrund: Borrowed Identity: Ein mysteriöser Elektronik-Produzent aus Freiburg). Seit er Mitte, Ende 2011 mit seiner Musik in die Öffentlichkeit getreten ist, hat er mit einer guten Handvoll Platten auf Foul & Sunk oder Legendary Sound Research sowie Tracks auf Supplement Facts und Pets Recordings deutliche Spuren hinterlassen. Dazu kamen noch DJ-Sets bei Tageins in Freiburg, in Basel sowie mehrmals in Berlin.
Im Frühjahr und Sommer 2013 verbrachte er viele Stunden in seinem Freiburger Kellerstudio. Dort arbeitete er an Beats, Loops, und Track-Layouts. Er ftterte seine Festplatte mit Skizzen, Samples und fertigen Stücken, und einen kleinen Ausschnitt bekommen wir in diesen Tagen auf Vinyl gepresst: die “Love For Sale”-EP auf Quintessentials und “Leave Your Life“, eine EP auf Zak Khutoretskys (das ist DVS1) neuem Label Mistress Recordings.
Borrowed Identity macht auf den vier Stücken für Quintessentials das, was er am besten kann: soulgetränkten, von kraftvollen Beats vorangetriebenen House. “I Think It’s A Dream” haucht eine Stimme auf dem ersten Track, “Move“. Dieser Part liesse sich durchaus autobiographisch deuten. Erste Veröffentlichungen auf Vinyl, durchgehend positives Feedback, welcher junger Produzent träumt nicht davon? Doch es folgt ja noch ein zweites Vocal-Sample, das Borrowed Identity dem Traumhaucher dialogisch an die Seite stellt. Steadybeat und eine Bassline, bei der auch eingangs erwähnter Kerri Chandler staunen dürfte, führen ebenfalls einen partnerschaftlichen Dialog und treiben den Track voran.
Orgelpads, Chords, rohe Drumsamples, tiefe Bassgrooves und Sprachfragmente bilden die Bestandteile, aus denen Borrowed Identity, mal alleine, dann wieder zusammen mit seinem Partner Mechanical Soulbrother die folgenden Stücke “Dans La Nuit”, Music” und “Feels Like Makin Love” arrangiert. Auch vermitteln sie ein Gefühl wie es lustvoller, leidenschaftlicher Sex tun kann. Sie entfachen einen Tanz der Hormone.
Ganz andere Gefühlstiefen werden dagegen auf der “Leave Your Life”-EP erreicht. Da legt sich schon mal ein zarter Dub-Schleier über Bässe und Beats. Der Rhytmus ist fordernder, einnehmender verlangender. Stücke, die in Kürze wohl alle spärlich ausgeleuchteten Tanzflächen in Ekstase versetzen werden.
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