Sehr schwer fällt es mir, meinem Empfinden einen sprachlichen Ausdruck zu verleihen, aber zu den beiden vorangegangenen Releases auf Quintessentials, “Deep Raw And Real Pt. 1” und “Deep Raw And Real Pt. 2” liess sich ein emotionaler Beziehungsaufbau nur schwer gestalten. Die Tracks auf diesen beiden Platten sind durchweg solide produziert, daran besteht nicht der leiseste Zweifel. Dennoch fehlte mir etwas, das Unbeschreibbare, das bei mir tief im Inneren etwas wachzurufen im Stande war. Schade eigentlich, denn Quintessentials hat sich bis zur neunten Veröffentlichung (Langenthal EP von Jagged) doch zu einer Art Sammlerlabel entwickelt. Anders ist es mir beim Hören der elften 12″, “Chicago Detroit New York” von Marcello Napoletano ergangen, die seit einigen Tagen erhältlich ist.
Der “junge Mann aus dem Salento” (Quelle: http://www.zukunft.cl/) nimmt auf ihr bereits im Titel Bezug auf das starke Gravitationsfeld dreier US-amerikanischer Städte, deren Name über die Jahre hinweg gleichbedeutend wurde für eine ganz bestimmte Ausrichtung und Entwicklung in der elektronischen (Club-)Musik. Der Rückbezug auf die Einflüsse dieser Städte, deren Bindung an die Gegenwart, bauen denn auch ein Spannungsfeld auf, in dem sich Marcello Napoletano zwangsläufig zu bewegen hat. Denn in meiner / unserer Vorstellung bauen sich zielbezogene Erwartungen auf, können wir alle doch Standards aus Chicago, Detroit oder New York in Sekundenschnelle abrufen. Unser Vorwissen wird aktiviert, und aufgrund dieses Erfahrungshintergrundes wird bereits vor dem ersten Hören ein ganz bestimmte Emotionspotential freigesetzt. Dies erschwert zusätzlich eine unvoreingenommene, jungfräuliche Herangehensweise an die vier Tracks.
Anyway. Marcello Napoletano glänzt auf “Make Me Free” mit tief rumpelnden Beats und einer dunkel wummernden Bassline – man mag sich beim Hören gerne in einen alten U-Bahnwagen der New York City Subway oder des Chicagoer “L-Trains” versetzt fühlen. Über diese Rhythmusstruktur läuft eine Rhodes-ähnliche Akkordfolge, die für ein wohliges Gefühl sorgt und das Stimmsample – überdrehte Diva-Art – kontrastiert.
Kleine blubbernde und sprudelnde Elemente sowie ein aufgeregtes Stimmengewirr, aufgenommen etwa in einem Wettbüro, auf einem Strassenmarkt oder – weil Referenz an die Stadt Chicago – an der Chicago Board Of Trade, entfalten sich bei “Street Fruit“, dem zweiten Track, über einem geradlinigen Grundbeat, der rhythmisch im Midtempo gehalten ist.
Ein sanft wabernder Flächensound weht einem hingegen bei “What’s Going On Detroit” entgegen, steht somit in Gegensatz zu den harten, dem Herzschlag gleich stampfenden Kickdrums und widerspiegeln den sanften Abendwind, der vom Eriesee aus durch die unbarmherzige Industriebrache der D-Stadt streicht. Voluminös ist auch der Sound (halb-)offener Hi Hats und Snare-Claps, hart und rauh die Tongebung der energischen Staccato-Accorde. Mein favorisierter Track auf der EP.
Bleibt noch “The Fall” mit seinem funkigen Gitarrenlick, und die EP ist perfekt. Bin schon gespannt, was er gemeinsam mit Fran-Mela als I.F.M. für die Drumpoet Community und im vorgerückten Jahr auf Laid Records abliefern wird (Letzteres Label blickt erst einmal einer Split-EP (Laid #006) sowie Material von Lowtec/Kassem Mosse (Laid #007) entgegen).
English (short) version: Well, there is no way around Marcello Napoletano, the young DJ and producer from Italy who blessed us with his stylistic diverse, raw and emotive tunes on Mathematics Recordings and Reincarnation. Now he’s back on UK-based label Quintessentials with a four tracker called “Chicago Detroit New York”. The title is – as you surely know – a play to the three style-defining cities of nowaday’s electronic (club) music. Marcello Napoletano continues to deliver us with his uncompromising drum programming – thumping kick drums – , rumbling basslines, sizzling hi-hats contrasted by either diva-esque vocal snippets or warm synth lines or pads in the background of a tune. I like!
Mehr im Web:
Marcello Napoletano @ MySpace
Marcello Napoletano – Keep It Deep Guest Mix
Quintessentials @ MySpace