Stark vereinfacht und sehr verallgemeinert steht der komplexe Begriff(skreis) Nihilismus in der Philosophie stets in Verbindung mit einer gezielten Infragestellung, einer Verneinung. In seiner Ausdifferenzierung beinhaltet der Nihilismus zum einen den Skeptizismus. Der Skeptiker stellt ein Vorhandensein jeglicher allgemeingültiger Aussagen in Abrede. Er verneint sie. Zum anderen umfasst Nihilismus auch den Agnostizismus. Der Agnostiker lehnt die Möglichkeit von Erkennntnis genauso ab wie einen irgendwie gearteten Sinn des Lebens, der Welt, des Seins überhaupt.
Leider fehlt mir an dieser Stelle das notwendige philosophische Hintergrundwissen, um tiefer in die Materie der Erkenntnisphilosophie / -theorie eintauchen zu können, bietet dies doch die Auseinandersetzung mit dem Künstleralias des US-amerikanischen Produzente Mike Taylor, so der bürgerliche Name des Disco Nihilist, geradezu an. Zumal auch der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche in einem Brief an Heinrich Köselitz zum Ausdruck brachte, dass ihn als Philosophen “eigentlich nichts mehr anginge, als das Schicksal der Musik“. (Quelle: Lorenz, Martin: Musik und Nihilismus, Zur Relation von Kunst und Erkennen in der Philosophie Nietzsches)
Gerade dieser überlieferte Ausspruch mag hier als Anknüpfungs- und Ankerpunkt dienen. Denn wenn jemanden etwas angeht, berührt und betrifft es ihn. Er hat einen persönlichen Bezug dazu. Dies wiederum bewirkt eine innere Erregung ruft hervor ein Sichbefassen mit einem (physikalischen) Gegenstand, einer Person, einer Idee. Liest man das Interview mit Mike Taylor a.k.a. Disco Nihilist auf Infinite State Machine, lässt sich unweigerlich feststellen, dass Mike Taylor die Annäherung an die Musik, den Produktionsprozess auf der einen, die Interpretation und den Prozess der Labelisierung auf der anderen Seite in Frage stellt. So lehnt er beispielsweise den Begriff “Detroit” als Rettungsanker ab, um Musik zu beschreiben, in einen Kontext zu bringen, aber auch, um ein gewisses Konsumentenbedürfnis zu befriedigen:
“So many people misuse and misrepresent the legacy of Detroit music for their own gain. I don’t want to be one of those people. I will let the people who deal with that shit day in and day out claim it, it is their right, not mine. My records sell on their own, I don’t need to use Detroit as a crutch to get over.” (Disco Nihilist @ Infinite State Machine)
Dies brachte auch mich wieder einmal dazu, an mir und den Blogeinträgen zu zweifeln, denn schliesslich hat man sich doch an irgendeiner Begrifflichkeit festzuhalten, zu orientieren. Andererseits macht es auch nur bedingt Sinn, Musik in Worte zu fassen, denn Musik ist ja bereits eine Versprachlichungsleistung von Träumen, Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten, Hoffnunge, und so weiter.
Doch nun endlich zu Mike Taylors Werk als Disco Nihilist. Aus seiner erste EP, “Disco Nihilist“, veröffentlicht im Vorjahr auf Thomas Cox’ Label Love What You Feel, lassen sich, anders als der Titel es möglicherweise erwarten lässt, Einflüsse und Traditionen von Acid und House herausarbeiten, denen er auch auf “From One Place To Another nicht untreu geworden ist.
“Easy” besticht mit scharfen Hi Hats, einer hart schnarrende Bassline sowie hochfrequent geloopten Snare Claps, Elemente, die in Kontrast zum Titel einerseits und zu der zaghaften, Unsicherheit ausdrückenden Melodie steht, die lediglich auf einer einfachen Tonfolge basiert. Treibender geht es auf “Leaving Bull Creek” wie auch in den folgenden beiden Tracks, “Gallop” und “SH101 Acid”, in welchen eine Intensitätssteigerung auszumachen ist. Slap Bass, hartes, präzises Drum Workout, flirrende Acid Synth-Sounds, hämmernde Claps, und die Tanzfläche steht in Flammen!
English (short) version: Mike Taylor a.k.a. Disco Nihilist is back with another 12″ on Construction Paper. A journey into dark tunes between mourning and melancholia and raw analogue acid stormers. Great!
Mehr im Web: