Somebody Scream – Agent Schwiech & Julius Steinhoff, Samstag, 15. Mai 2010 – ein kleiner Nachtrag

Gross war die Versuchung am vergangenen Samstag, die „Green City“ Freiburg zu verlassen und entweder in Richtung Zürich oder Lyon aufzubrechen. In Zürichs Über-Club und erster Adresse für elektronische (Club-)Musik, der Zukunft, hatte sich das Essener Label Mild Pitch mit seinen drei Protagonisten Manuel Tur, DPlay und Langenberg angekündigt, wohingegen in der französischen Schlemmer-Metropole das Festival „Les Nuits Sonores“ stattfand, das für diesen Samstag mit DJs Chloé, Seth Troxler, Dixon, Lindström & Christabelle sowie eine weitere Ausgabe von „Body & Soul“, also Joe Claussell, Francois Kevorkian und Danny Krivit, auftrumpfen konnte.

Ein wolkenverhangener Himmel und immer wieder Regen, dem Wonnemonat Mai also in keiner Weise gerecht werdendes Wetter, sowie eine bereits zur Monatsmitte beachtliche finanzielle Klammheit waren jedoch nicht die ausschlaggebenden Gründe, die mich in meiner derzeitigen Wahlheimat festhielten. Seit Anfang des Jahres ist es die Veranstaltung „Somebody Scream“ im Freiburger Club Drifter’s, welche meinen Wochenend- und Ausgehkalender bestimmt, ganz nach dem Prinzip „Support your local cookie dealer“. Dieses umzusetzen fällt mir bei den „Somebody Scream“-Resident DJs Agent Schwiech, Kowski und Shaddy auch nicht sonderlich schwer, gewährleisten diese doch eine gleichbleibend hohe Qualität auf den Plattentellern. Im Wechsel zu Resident-Nächten, bei denen die drei Locals mitreissende musikalische Stimmungsbögen von melancholisch langsam dahinfliessenden Disco- und Housetunes bis hin zu treibenden, Detroit infizierten Sounds spannen, standen bereits erfahrene Turntable-Athleten wie Oliver Hafenbauer (Robert Johnson, Itsoktohateyourjob) und Langenberg (Mild Pitch) an den Plattentellern, um ihre Vision von House, Techno und Disco vorzustellen.

Für die Clubnacht am vergangenen Samstag war mit Julius Steinhoff der Mitgründer und Mitbetreiber von Smallville (Plattenladen und Label gleichermassen) gebucht. Zuletzt erlebte ich ihn im Februar diesen Jahres im Berliner Club Watergate, wo er gemeinsam mit Dionne und Dor den Waterfloor bespielte – ein Abend, eine Nacht, die mich insbesondere musikalisch beeindruckt hatte.

Nicht minder erinnerungswert war beziehungsweise ist auch der vergangene Samstagabend. Ich betrete den Club, das Drifter’s, zu sehr früher Stunde. Lediglich vereinzelt sitzen oder stehen ein paar Jungs und Mädels an der Bar beziehungsweise haben es sich in den Sitznischen, welche in der Wand eingelassen sind, gemütlich gemacht. Der raue Boden, die nackten Betonwände, die schon etwas zersessenen Sitzmöbel, die schummrig-düsteren Lichtverhältnisse sowie die leicht abgestandene, nach vielen durchtanzten Nächten riechende Luft – all dies kommt meiner persönlichen Vorstellung der vielzitierten Dreiecksbeziehung „basement – red light – feeling“ sehr nahe.

In dieses durchaus unprätentiöse Hinterhausgaragen-Flair legt zu Beginn des Abends der Freiburger DJ Agent Schwiech einen melancholischen Atmosphärenteppich, fein gewebt aus dichten Synth-Chords, analog programmierten Bassdrums, sphärischen Flächen sowie warmen Dub- und Halleffekten. Seine Plattenauswahl lässt die ersten Besucher in nahezu meditative elektronische Klangwelten zwischen House und Techno eintauchen. Behutsam, kaum merklich, steigert er das Tempo, blendet über zu – ich glaube – John Robert’s „Hesitate“, „Don’t Forget“ von Lawrence oder „This Heart“ von Delano Smith, allesamt Tracks, die einen aus dem Alltag herauslösen, an der Hand nehmen und auf die Tanzfläche ziehen. Es ist diese Zeit davor, vor der Peak Time, die ich so sehr ins Herz geschlossen habe.

Auf den Punkt eingekochte, druckvoll reduzierte Housegrooves, u.a. das straffe Funkgerüst der Mountain People sowie Daniel Stefaniks „In Days Of Old Part One“, locken eine Vielzahl weiterer Nachtschwärmer auf die Tanzfläche des Drifter’s, die sich von nun an – es ist inzwischen etwa ein Uhr – beständig füllt.

So übergibt Agent Schwiech eine bestens gelaunte und gut aufgewärmte Crowd an Julius Steinhoff, den „Freiburger aus St. Pauli“. Dieser setzt nahtlos am bestehenden Housegroove an mit „All Night“ von Steve Bug, das dieser 1997 produzierte und unter seinem Pseudonym Superlova auf seinem damaligen Label Raw Elements veröffentlichte. In der Folgezeit spielt sich der Gast-DJ des Abends, Julius Steinhoff, durch eine auserlesene Auswahl (US-amerikanischer) House-Platten, Klassiker aus dem Hause Chez Damier /KMS gleichermassen sowie neues Material, u.a. von Kerri Chandler. Neuveröffentlichungen und gut bewährte Klassiker in Sachen Techno verbindet er in seinem Set ebenfalls meisterlich. So führt Julius Steinhoff beispielsweise G-Mans „Quo Vadis“ mit der aktuellen Release seines eigenen Labels, „7 Up“ von Quince & Benny Rodrigues zusammen, beides Tracks mit einer grossen Sprengkraft, um anschliessend wieder in housigere Gefilde überzublenden. Nur ein Steigerungsmoment von vielen. Vielen Dank!

English (short) version: the Drifter’s is one of the longest running clubs in Freiburg focusing on electronic music with a widely varied mix of styles. It is located in a car garage like building with an industrial flair that is close to my “basement – red light – feeling”-requirements, as raw house and techno was and still is for the backyard and basement – and clubs that deliver a relaxed and carefree mid-eighties airport business mezzanine lounge atmosphere really suck balls! Drifter’s club therefore is a good endroit to celebrate the spirit of underground house and techno, which has been, and still is, difficult in a city with a high (student) population that either wants to dance to “party tunes”, “cool” nu rave sounds or minimal techno. Nevertheless, the Freiburg based DJs Agent Schwiech, Shaddy and Kowski joined forces and launched “Somebody Scream”, a monthly night held on a Saturday evening, where they showcase their approach to and interpretation of house, techno and disco, either on their own or with guest djs. Last Saturday, Agent Schwiech and Julius Steinhoff, co-founder of Smallville Records, were gracing the decks. The first-mentioned DJ opened up and set on fire the dancefloor with an excellent blend of sleezy low slung house grooves (some tracks above), underpinning his skills as a well-experienced and open-minded DJ. Julius Steinhoff took over the turntables and spinned some massive raw house tunes. He constantly set the pace, culminating in a handful of techno, classics (G-Man, Quo Vadis) and new releases (Quince & Benny Rodrigues, 7 Up). Lost in sound and time. Thank you for this!

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