“Voll Neunziger Jahre”, stöhnte vor kurzer Zeit ein befreundeter Musikliebhaber, als ich ihm mit vollem Stolz eine Handvoll aktueller Tracks vorspielte. „Über diesen Sound bin ich schon längst hinweg“, legte er nach, um mir anschliessend zu bescheinigen: „Du ist ein ewiggestriger Nostalgiker, der dieser Musik und einigen Platten eine historische Bedeutung beimisst, die sie doch nur innerhalb deiner Gedankenwelt geniesst.“ Und wenn schon. Ich lasse mich lieber als einen Menschen bezeichnen, der einen gewissen Musikstil, etwas Vergangenes, rückwärtsgewandt verklärt, als dass ich mir irgendwann einmal Folgendes eingestehen muss: ich habe mein Leben in die Kategorien „Sehen“, „Fühlen“, „Wissen“ und „Freie Zeit“ eingeteilt und unter Überschriften wie „Darum haben wir noch kein Kind“, „Haben wir die Liebe verlernt?“ oder „Glaubst Du an die ewige Liebe“ gestellt. Ach ja, das Leben könnte um so vieles einfacher sein, gefielen mir schwedische Schrammelgitarren, wäre ich verträumt unpolitisch und läse ich die Zeitrschrift mit dem tagesleuchtfarbenen, grünen Herzen als Favicon.
Anyway. Fällt heute der Name „The Nathaniel X Project“, ist eine kleine Rückblende durchaus angebracht und angemessen. In den Mittneunzigern veröffentlichte Nate Tinsley eine 12“ unter dem Namen „The Nathaniel X Project“, schlicht und einfach „E.P. betitelt, auf dem in New Jersey beheimateten Label Music Station. Dieses hat massgeblich den (New Jersey / New York) House Sound der 90er Jahre mitgeprägt und –heutzutage Klassiker – in seinem Backkatalog, so auch „Take A Stand For Love“ von Gerideau und eine ganze Menge Material des Projektes Mentalinstrum. Einiges Wax droppte Nate Tinsley auch unter seinem vollen bürgerlichen Namen, James N. Tinsley auf Island Noyze Records und zeichente auch mitverantwortlich für Vil-N-X-Sachen. Wer (damals) stimmgewaltigen, teilweise von Gospel, teilweise von Disco beeinflussten House mit einer Menge Rhodes- und Piano-Keys, Saxophon, harten Kickdrums und steppenden Basslines mochte, war hier goldrichtig – und ist es heute bei „My Love Is Underground“, einer jüngst von Jeremy a.k.a. Underground Paris ins Leben gerufenen Plattform für House alter Schule.
Unter dem Titel „The Ressurrxion E.P.“ tritt Nate Tinsley mit vier Tracks den Kampf gegen den sogenannten „bubblegum crap“ an, verwässerter Sound im Gewand weichgespülter R’n’B-Songs. Mit „Gotta Get Over“, „Jer & Iz“, „Move Ya Body“ und „The Nathaniel X-Tract“ nimmt er sich in aller Ausführlichkeit der Oldschool-Thematik an, präsentiert konstant kickende Bassdrum- und Snare-Beats, kurze Orgel- und Saxophonsequenzen, aus den Kelleruntiefen von Jersey City hervordringende Basslines, stakkatierte Klavierakkorde sowie repetitive Stimmfragment-Themata. Doch vor dieser Platte sei gewarnt: sie ist nach meinem Dafürhalten definitiv nur für aufrichtige Liebhaber alter Blaze-, Urban Soul-, Mood II Swing-, Mental Instrum- oder Kerri Chandler-Platten. Voll Neunziger. Ja. Und?!
English (short) version: House music will never die. This is, what Glenn Underground and Cei-Bei already knew in the mid-nineties, and New Jersey-based Nate Tinsley is going to keep pushing it on with is latest 12″, “The Ressurrxion E.P.”. House music with that certain classic feel we love since Blaze, Urban Soul, Mood II Swing and Kerri Chandler served us with.
Mehr im Web:
Nate Tinsley @ MySpace
My Love Is Underground @ Facebook
Underground House – Youtube Channel
Underground Paris @ Soundcloud