Ich kann von mir nicht behaupten, dabei gewesen zu sein. Nicht in Chicago. Nicht in Manchester. Ich war ganz einfach zu jung, um von der Acid (House) Welle erfasst und davongetragen zu werden. Damals sass ich vor dem Plattenschrank meiner Eltern und die Welt um mich herum bestand aus hunderten Scheibchen schwarzen Goldes, Klassische Musik, Jazz, jede Menge französischer Chansons und argentinischer Tango. Jack lernte ich erst sehr viel später kennen, und das auch nur aus Erzählungen und über eine Musik, hinter der er als treibende Urkraft stand, und heute auch noch steht, deren Werden und Entstehen er wie ein Schutzpatron seit eh und je begleitet und bewahrt.
Mit besonderer Hingabe und Fürsorge hat er sich der Snuff Crew angenommen. Er, Jack, der für viele von uns vielmehr eine Legende denn eine greifbare Person ist. Lediglich sein Schatten ist wahrnehmbar, lediglich ein feiner Lufthauch, wenn er an einem vorübergeht. Doch kaum dreht man sich nach ihm um, ist er bereits wieder verschwunden. So in etwa ergeht es einem auch mit der Snuff Crew. Keine fassbare Personenmehrheit, nur ihre Musik schickt sie wie einen Schattenwurf hinab zu uns, in unsere Erkenntnishöhle. 2009 veröffentlichten sie EPs auf Playhouse (“Lovefreak“), Hour House Is Your Rush (“Feel Inside“) und International Deejay Gigolo (“Berghain“), auf letzterem Label erschien auch ihr selbstbetiteltes Album. Wer zu ihren Tracks nicht ekstatisch tanzt, wem zu ihrer Musik nicht der Schweiss sturzbachgleich die Stirn hinabrinnt, Hemd und Hose einnässt, ist entweder ein breitbeinig am Rande der Tanzfläche stehender – verzeiht mir dieses Klischeebild – Italiener oder ein BWL-Student mit hochgeklapptem Polo-Hemdkragen. Bella figura zu den Sounds der Snuff Crew macht jedoch, wer sich von ihnen, und damit letzten Endes auch von Jack, an der Hand nehmen, führen und leiten lässt.
Nach all diesen Veröffentlichungen, bei offensichtlich so viel Soundmaterial und unbändiger Kreativgewalt, lag der Schritt zur Gründung eines eigenen Label nahe. Mit Snuff Traxx – was könnte denn der assoziative Anstoss für diesen Namen sein? – hat die Snuff Crew im Sommer diesen Jahres ihre eigene Plattform aus der Taufe gehoben, um in Zukunft ihre analogen Drumgewitter noch gezielter entfesseln zu können.
Anfang August erschien die erste 12″, “Jakk U Up / Are You House“. Einen Track steuerte die Snuff Crew bei (“Are You House”), einen weiteren Track lieferte Elec Pt. 1 ab, der bereits auf Bunker Records und unter seinem Klarnamen Andreas Gehm eine EP auf Jamal Moss Mathematics Recordings (“My So Called Robot Life) veröffentlichte. Wiederholt wirft die Snuff Crew in ihrem Beitrag die Frage “Are You House” auf. Sie kann nur rhetorisch gemeint sein, denn die harsche Stimme lässt einem keine Zeit, sie zu beantworten. Entweder lässt man sich mitreissen oder nicht. Entweder ist man “House” oder man ist nicht “House”. Dazwischen gibt es nichts. Das spielt letzten Endes keine Rolle, denn die Basspeitsche und Snare-Clap-Salven treffen unterschiedslos beide. Wer “House” ist, wird daran jedoch Wohlgefallen finden. Wer nicht “House” ist, soll Zuckerwatte lecken gehen. Auf “Jakk U Up” verwischt Andreas Gehm alias Elec Pt. 1 gekonnt die Grenzen zwischen Acid House und harter EBM-Musik. Windy City, zieh Dich warm an!
Bereits in den Startlöchern steht die zweite 12″ auf Snuff Traxx in den Startlöchern. Drei Tracks insgesamt. Die A-Seite bestreiten der Bulgare KiNK sowie der Brite Neville Watson, welche auf Hour House Is Your Rush vor zwei Jahren zwei Killer EPs mit heiss lodernden Acid-Fontänen abgeliefert haben. Mit “City 2 City” knüpfen sie daran an – noch ein paar Vocals dazu, und ich würde Tränen weinen. Mit “Wondersometimes” liefert die Snuff Crew ein Stück wie geschaffen für die Zeit zwischen nächtlicher Dunkelheit und Anbrechen des Tages ab. Könnte ich in Endlosschleife hören. “Are U House” erfährt obendrein eine Überarbeitung von Neville Watson. Jack or get jacked!
English (short) version: Not hailing from Chicago and being too young for having experienced the second summer of love – do I have the right to talk and write about legendary Jack? Until we might come together, discuss and decide this conflict, let’s have a look at one of Jacks legitimate ancestors, the Snuff Crew. Their music is raw, punchy, sharp and fierce – it’s the Chi-Town heritage. They launched Snuff Traxx, their own imprint, a couple of weeks ago. Don’t miss the output on it as it is strictly limited!
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