Es gibt wohl kaum etwas Schlimmeres für einen Künstler – ob Literat, bildender Künstler oder Musiker – als beständig auf eines seiner Werke reduziert zu werden, das zwar auch einen starken, persönlichen Charakter sowie zeitüberdauernde Qualitätsmerkmale aufweist, aber dennoch auch einem Zeitgeist entspricht und daher auch ein breites Publikum anspricht.
Dem Frankfurter DJ und Produzenten Philip Lauer ist so etwas, eine Art ikonengleich glänzenden Track, eine Blaupause zu schaffen, nicht nur einmal gelungen. Ob als Teamplayer gemeinsam mit Christian Beisswenger unter dem Brontosaurus-Deckmantel (“Une Seule Nuit”, “Greatest Love”, “Hum Along”, u.s.w.), ob zusammen mit Gerd Janson als Tuff City Kids (Remix für “L-O-V-E” von den Boom Clap Bachelors) oder als Einzelstreiter mit “Delta NRG” – das sind Werke mit Blaupausen-Charakter, an denen es sich (vielleicht aber auch nur die schreibende Zunft) abzuarbeiten gilt.
Philip Lauers “Delta NRG” wurde in diesem Jahr von Münchens Permanent Vacation lizensiert und zusammen mit einem Mock & Toof – Remix weiterveröffentlicht. Zwischen House und Disco ist dieser Track zu verorten, dabei die Marshall Jefferson’sche Chi-Town-Zeit und italienische Piano House-Ära nicht plakativ beschwörend, sondern mit viel Feingefühl für deren Klang und Rhythmik in ein Jetzt zu übertragen.
Impulsiv auf der einen, verinnerlicht auf der anderen Seite, hedonistisch ichbezogen sowie lustvoll auf ein Gegenüber ausgerichtet, zeigt sich Philip Lauer auch auf der neunten 12″ von Live At Robert Johnson, dem hauseigenen Label des Frankfurter / Offenbacher Tempels der Clubmusik. Wer “H. R. Boss” bis dato noch nicht gehört hat, kann und sollte dies umgehend nachholen, beispielsweise in der jüngsten Ausgabe von Tim Sweeneys Radio Show Beats In Space, in der er des Frankfurters Nummer zwischen “I Feel Good All Over” von Bang The Party und Newworldaquariums “Trespassers” packt. Die 80er Jahre stellen denn auch hierauf das Sprungbrett in die Klanglandschaften des Tracks dar. Philip Lauer erreicht mit seiner Synthesizer-Arbeit und glockenähnlichen Sounds eine epische Intensität, die sich zwischen den Extremen Dunkelheit und anrüchigem Rotlicht-Schimmer sowie einer mit Margeriten übersäten Frühlingswiese bewegt. Beschaulicher, Blümchensex vs. Fesselspiele von zart bis hart. Musik ist halt auch eine Art sexueller Ausdrucksform, erst recht, wenn ein wenig midnight sleaze hinzukommt. Von letzterem hat Philip Lauer eine grosszügige Portion in seinen zweiten Track, “Banned“, miteingebaut. Die Melodiöse Innigkeit tritt hinter den schnelleren Rhythmus, die härteren Sequenzerbeats in Kombination mit röhrenden Synthesizerbässen zurück. Der Schweiss rinnt über die angespannte Muskulatur, der Körper beginnt zu zittern, vor Anstrengung und Erregung. That’s how we used to do it!
English (short) version: Philip Lauer, also engaged in Arto Mwambe (alongside Christian Beisswenger) and Tuff City Kids (alongside Gerd Janson), with a solo 12″ on Frankfurt / Offenbach based Robert Johnson club-affiliated imprint Live At Robert Johnson. Both tunes, “H.R. Boss” and “Banned” are built around mid-to-late eighties disco and early house music with a dash of Italo and Chi-Town. Vanilla sex on a midnight sleazy train changing into a red-lighted kinky affair.
Mehr im Web:
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Arto Mwambe @ MySpace
Live At Robert Johnson @ MySpace
Robert Johnson