Wie war das gleich nochmal mit dem Satz “Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.” und was hat er mit der neuen 12″ auf Workshop Records zu tun? Zwei rhetorische Fragen, deren Antworten sowohl mir als Fragesteller als auch den Lesern als Adressaten bekannt sind. Musik findet Zugang zu tiefen Gefühls- und Verstandesebenen; Musik erzeugt ein Kraftfeld, wirkt auf beide Ebenen ein, kann als Vermittler zwischen ihnen auftreten, baut Brücken, die mit Worten nicht gebaut werden können.
An dieser Stelle könnte man den Blogeintrag eigentlich beenden. Denn sind es nicht stets dieselben Worte, dieselben sprachlichen Bilder, die man bei Tracks von Kassem Mosse bemüht? Sie sind skizzenhaft, torsohaft, unfertig. Sie wirken einerseits kalt und robotisch, andererseits warm und organisch. Sie erwecken den Eindruck, dass ihr Produzent nicht durchgängig um detailgetreue Präzision bemüht ist, dass er sie möglicherweise auch gewollt unfertig und unperfekt belässt. Irgendwann, während man sich an der Versprachlichung der Musikerfahrung mit Stücken von Kassem Mosse abarbeitet, gelangt man an einen Punkt, an dem man sich selbst einzugestehen hat, dass man die eigene sprachliche Begrenztheit nicht zu überwinden vermag. Und genau da kommt man wieder auf den eingangs zitierten Satz, dass Musik genau dort anfängt, wo die Sprache aufhört. Es bleibt einem also nur, das schwarze Vinyl auf den Drehteller zu legen, den Tonabnehmer aufzusetzen, die Augen zu schliessen, und die Tracks auf sich wirken zu lassen. Das Wiederspiel von Kickdrums und Basslines erzeugt ein unbändiges und machtgeladenes Kraftfeld. Es berührt, hält fest, fesselt.
So jedenfalls ergeht es mir regelmässig, wenn die Musik von Gunnar Wendel alias Kassem Mosse mich berührt und erfasst. Auf der Workshop 12 ist es weniger die A-Seite. Sie schreitet mit majestätischem Bass und durchschlagender Kickdrum voran. Das Fundament bietet den Stimmfragmenten festen Halt, die durchaus das Potenzial beinhalten, sich im kurzen, trockenen Hallraum zu verlieren. Ein Track, der möglicherweise auch ausserhalb eines Workshop-Insiderkreises grossen Anklang finden wird.
Vor Ehrfurcht in die Knie sinke ich vielmehr, sobald die ersten Takte der beiden B-Seiten Tracks erlingen. Hierauf begegnet man mäandrisch gewundenen Synthlines, der Bass brummt behäbig, ist ganzkörperlich erfahrbar, harsche Claps und Snare Drum Rim Shots kontrastieren die weich fliessenden, sensiblen Flächen im Hintergrund. Wunderschön! Den Atem raubt jedoch B2, ein schroffer, schieferiger, schwarzer Track, der Erinnerungen an die harschen Beats und eckigen Bässe eines Carl Craig unter seinem Piece-Alias oder eines Maurice Fulton alias Syclops wach werden lassen. Diese Namen dienen jedoch nur als Assoziationsanker, denn die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten sind begrenzt. Grosse EP. Kassem Mosse can do no wrong!
English (short) version: Workshop 12 is for all you fans of harsh rattling beats coming out of drum machines. Kassem Mosse can do no wrong!
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