Sanft streift SIE mich im Vorübergehen. Flüchtig, kaum spürbar, berührt SIE meinen Oberarm. Im Augenblick des Gewahrwerdens frage ich mich bereits, ob diese nur einen Sekundenbruchteil währende Begegnung überhaupt stattgefunden hat – oder ob mir meine eigene Wahrnehmung, meine Phantasie, einen Streich gespielt haben. Ich drehe mich um. Sollte es SIE tatsächlich geben? Sollte SIE mich tatsächlich – beabsichtigt oder zufällig – berührt haben? Selbst wenn ich beide Fragen mit einem deutlichen “Ja” beantworten könnte, ist SIE längst in der anonymen Menschenmasse aufgegangen. Zurück bleibt die Erinnerung an den leichten körperlichen Reiz. Sie weckt Träume, erzeugt Sehnsüchte.
Immer wieder staune ich darüber, welch zauberhafte Kraft einer flüchtigen, auch anonymen Berührung innewohnt; was das Streifen, Antippen oder Anfassen für Auswirkungen auf Gehirn und Körper haben kann; was für Energien und Schwingungswellen freigesetzt werden; auf welcher gedanklichen Zwischenebene diese Begebenheit weitergeführt wird. Erlebnisse wie dieses, ob es sich nun irgendwo in der Stadt oder während einer Clubnacht zuträgt, lösen – zumindest bei mir – ein unweigerliches Verlangen aus, diesen einen Moment noch einmal zu erleben, ihn dann zu intensivieren, zu vertiefen. Versuchung und Verführung sind eng miteinander verbunden.
Ob mit Worten, einem Blick oder einem Lächeln, ob mit einer Berührung – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sein Gegenüber für sich einnehmen zu können, in Versuchung zu führen und zu verführen. Eine weitere Möglichkeit ist die Musik. Mit dieser versteht es Vincenzo, der Produzent der vorliegenden EP, seine grosse treue Anhängerschaft ebenso wie neue Hörer zu betören. Sein House-Sound ist sinnlich, zärtlich, zugleich aber auch fordernd und bestimmend. Das mag sicher auch daran liegen, dass er sich immer wieder auch an den sonnendurchfluteten, warmen Klangmomenten orientiert, wie sie in der US-amerikanischen House Musik der Westküste vorherrschend sind. SanFran-Style. Er hat ja auch schon mit DJ Rasoul zusammen produziert (“Afterthoughts“). Zudem versteht er sich auch auf vertrackte, toolige Arrangements, die unter anderem auf Pokerflat oder liebe*detail erschienen sind.
“Seduction” ist in seinem Original eines dieser gediegen ruhigen und trotzdem treibenden Stücke, deren Ausstrahlung vom ersten Takt an zu vereinnahmen weiss. Sanft schmiegen sich die Synthesizerstabs und -flächen an die kräftigen, aber nicht unangenehm muskulösen Bass-Schultern, auf denen der Track aufbaut. Sie bieten den im Hall versinkenden Vocals Halt. Eine sanfte Verführung, die die Lust nach mehr anstachelt.
Der Freerange-Boss Jimpster geht in seinem Remix etwas direkter und unmittelbarer zur Sache. Mit seiner Überarbeitung der Beat Pattern, der Bassline und der Synth-Stabs dreht er “Seduction” in Richtung Tanzfläche. Grundsolide, im House tief verwurzelte Arbeit, aber der Erkenntniswert und das ästhetische Vergnügen werden nicht im Übermass befriedigt – vielleicht, weil der Remix in seiner Gesamtheit zu schematisch und vorhersehbar klingt.
Einen meiner Ansicht nach bestmöglichen Ausgleich zwischen der zarten, geheimnisvoll verschleierten Sinnlichkeit und dem wie ein Pick Up-Artist zupackenden, zielsicheren Auftreten bewirken die Tuff City Kids mit ihrer Version. Mit ihrer (Retro-)Bassline, der sirenig-verführerischen Synth-Melodie und einem bestechenden Arrangement aus Snares / Claps / Cowbells reichen Phillip Lauer und Gerd Janson ein musikalisches Moment voller verbotener Verlockungen ein. Ihr Remix ist wie ein schüchtern-verstohlener Blick aus den Augenwinkeln heraus, der Herz, Seele und Körper jedoch sofort erobert und Auslöser für eine leidenschaftsvolle Liebschaft ist.
English (short) version: Vincenzo has been, and still is, a very master of seductive sounds in house music, impressively showcased on his latest album “Wherever I Lay My Head”. On “Seduction”, which is also on the album, Vincenzo provides a smooth and soulful house tune which captivates the listener. Jimpster on remixing duties takes the direction to the dancefloor with his own unique style whereas Tuff City Kids – Phillip Lauer of Brontosaurus / Arto Mwambe fame and Running Backs very own Gerd Janson – convince with a punchy upright bass, an interaction of luscious and seductive synthesizer and vocal parts. Their remix is sultry heatwave!
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Gerd Janson Falty dance for murmur land – exclusively for nofitstate by nofitstate