STL & Julius Steinhoff – Neurotransmitting Clouds On The Secret Freeway / Something Like Wonderful

Vor kurzem staunte ich nicht schlecht, als ich dabei war, mich auf meiner beinahe liebsten webgestützten Informationsquelle zu verlieren und über einen Artikel eines gewissen Jan Möller stolperte, überschrieben mit “Ein Dorf namens St. Pauli“. Dieser Jan Möller schildert darin in wenigen, dafür umso prägnanteren Absätzen, mit treffender und klarer Wortwahl, den Werdegang des Hamburger Plattenladens und -labels Smallville Records, betrieben von Julius Steinhoff, Just von Ahlefeld a.k.a. Dionne und Pete Kersten a.k.a. Lawrence / Sten, hin auf ihrem Weg zur ersten umfassenden Werkschau, der Compilation “And Suddenly It’s Morning“.

Genau dieses Gefühl, unversehens (wie man das englische Wort suddenly auch übersetzen kann) in einen neuen Morgen zu gleiten, getragen von tief grummelnden Basslines, vorangetrieben vom stetigen, herzschlaggleichen Pumpen eines 4/4-Beats, fehlt mir ein um’s andere Mal in meiner derzeitigen Wahlheimat Freiburg. Ob sich daran etwas ändern wird, selbst wenn die Landesregierung Baden-Württembergs zum 01. Januar 2010 hin die Sperrzeiten verkürzen wird (http://fudder.de/artikel/2009/11/23/landesregierung-verkuerzt-sperrzeiten-ab-1-januar-2010/), bleibt offen und ungewiss. Die Stadtoberen wissen bestimmt eine Gesetzeslücke für ihre restriktive Handhabung auszunutzen.

Das führt jedoch zu weit. Genau aus diesem Grund, regelmässig zwischen drei und vier Uhr morgens in die Nachtkälte geschickt zu werden, freue ich mich umso mehr an Compilations wie “And Suddenly It’s Morning“, die es mir ermöglichen, mit Hilfe der auf ihnen beinhalteten Sounds die Magie der Nacht noch ein wenig zu verlängern. Nach “Our Life With The Wave / Meandyou.Dub” (http://www.discogs.com/Dimi-Ang%C3%A9lis-Jeroen-Search-Lowtec-Our-Life-With-The-Wave-MeandyouDub/master/172139), “In The Beginning / Don’t Forget” (http://www.discogs.com/Move-D-Benjamin-Brunn-Lawrence-In-The-Beginning-Dont-Forget/release/1923745) und “Winter / Childhood” liegt mit der vorliegenden 12″, “Neurotransmitting Clouds On The Secret Freeway / Something Like Wonderful” die vierte Einzel-Auskopplung vor, representing Stephan Laubner / STL und Mr. Smallville höchstpersönlich, Julius Steinhoff.

Stephan Laubner ist ein überaus schräger Klangkünstler, und schräg will ich hier ausschliesslich positiv verstanden wissen. Als STL veröffentlicht er sowohl auf seinem eigenen Imprint, Something Records, als auch in Gastauftritten bei Perlon oder eben Smallville verschiedenstes Material. Seine Herangehensweise an die elektronische Clubmusik erinnert mich u.a. auch an den Detroiter Theo Parrish, der dafür bekannt ist, auf seinen Tracks durch die Ergebnissen zahlreicher Feldaufnahmen, Aufnahme-Experimente u.a. mit Umgebungsgeräuschen, einen Bezug zu seiner Lebenstatsächlichkeit herzustellen. Mit “Silent State“, erschienen auf Smallville, landete er in diesem Frühjahr einen Volltreffer. Uber track, würde ein muttersprachlich Anglophoner wohl schreiben. Dass dieses Werk auch für zwei Mix-CDs lizensiert wurde, “The Lab 02” von Steve Bug für NRK (http://www.discogs.com/Steve-Bug-The-Lab-02/release/1947928) sowie “Simply Devotion” von Cassy für Cocoon (http://www.discogs.com/Cassy-In-The-Mix-Simply-Devotion/release/1966722), ist mehr als nachvollziehbar.

Neurotransmitting Clouds On The Secret Freeway” ist dementsprechend ebenfalls ein nahezu 12 Minuten langes Monster, das von Anfang an Fahrt aufnimmt und mich ein wenig an den Funktionsablauf von Nervenzellen erinnert. Die Hi Hat-Spielereien und sanften Klicks stellen dabei den “Zünder” dar, der die Ausschüttung eines Botenstoffes bewirkt. Dieser wird von den mäandrierenden Synthesizer-Klängen umhüllt und zur nächsten Nervenzelle weitertransportiert, beständig vorangetrieben und mit Energie versorgt von den ruhig pulsierenden Kickdrums.

Something Like Wonderful” von Smallville-Mitgründer Julius Steinhoff ist einer dieser Tracks, bei dem ich am liebsten die Augen schliessen, die Arme ausbreiten und die Handflächen nach oben wenden möchte. Von Anfang an vermitteln die Flächensounds eine warme, angenehm entspannte Atmosphäre. Die einfache, auf nur wenigen Tönen aufbauende (Piano-)Melodie, die wohl auf den Klang offen schwingender Saiten bei leicht gedrücktem Pedal zurückzuführen ist, strahlt eine herrliche Melancholie aus. Diese Melodie verschmilzt zusammen mit dem Basslauf und den drängenden Beats, verhilft zu einer kleinen Flucht aus dem Alltag und schafft einen in verdichtete Formen und Rhythmen übersetzten Glücksmoment. Something like wonderful.

Mehr im Web:

http://www.myspace.com/juliussteinhoff
http://www.something-records.com/
http://www.myspace.com/smallvillerecords
http://www.smallville-records.com/

Nach oben scrollen