17 West Street Label Release @ Supermarket, Freitag, 18. Juli 2008

Freitagabend. Kurz vor zehn Uhr. Der Himmel ist bereits tiefblau. Erste sterne werden bereits sichtbar, noch zeichnen sich winzige weisse Wolken schemenhaft ab. Dezent geshuffelte Beats, eine prägnante Keyboard-Hookline, dazu die dynamisch frische und dennoch reizend verführerische Stimme einer Ultra Naté. “Let’s take a long ride – deep into the night – on our phantasy – ’til the sunlight…” Wer kann sich ihrer Anziehungskraft widersetzen oder gar entziehen?! (Auch) Ich erliege ihrem akustischen Reiz, lasse mich von ihr führen, in die Geroldstrasse 17.

Was verbinde ich nicht alles mit dieser Adresse und dem dort belegenen Club Supermarket. Label Showcase mit Luciano (Cadenza Records), Kerri Chandler all night long, ein Schaulaufen der Züricher DJ-Urgesteine wie Gallo, Muri oder Dani König (dessen Compilation Kaufleuten Traxx Vol. 4 übrigens zu meinen ersten House-CDs gehört). Und heute, an diesem Freitagabend, ist es soweit. Ein neues (Party-)Label wird zur Taufe geführt. 17 West Street – für ein partyerprobtes Publikum, das in gediegenem und stilvollem Rahmen zu auserlesener elektronischer (Club-)Musik feiern möchte.

Zunächst lasse ich es etwas ruhiger angehen. Die Lounge-Atmosphäre im (eigens für diesen Anlass?) aufgebauten, direkt an die (Back-)Steinmauer des Club Supermarket angrenzenden (Bar-)Zelts sorgt für den angemessenen Rahmen: lässig lehnen die ersten Gäste am Tresen, fläzen sich bei eisgekühlten Drinks genüsslich auf bequemen Sofas, stehen zu zweit, zu dritt oder in grösseren Gruppen, knüpfen erste (neue) Kontakte, führen intensive Gespräche oder lassen ihren Blick über neu Ankommende. Sehen und gesehen werden?!

Klanglich untermalt werden diese kleinen Szenen von Chic Brown, (Mit-)Ausrichter des Abends, der meine Ohren und diejenigen der Gäste mit House-Tunes voller Emotionalität und Tiefgang zu schmeicheln weiss. Sind es die Stimmen der House-Divas Lisa Shaw, Stephanie Cooke oder Joi Cardwell, funk-geladene Upbeats eines Miguel Migs oder zart perkussive (Trademark-)Beats eines Frankie Feliciano, unterlegt von einprägsamen Saxophon-Lines, Piano-Soli oder Streicher-Arrangements, die über die Lautsprecher wiedergegeben werden – in seinem Set steht der Soul ganz im Vordergrund.

Let’s take a long ride – deep into the night – on our phantasy – ’til the sunlight…Ultra Natés Stimme zieht mich von einem der unzähligen braunen (Kunstleder-)Sitzwürfel hoch, auf dem ich es mir für einen kurzen Augenblick bequem gemacht habe. Zur rechten Zeit, denn soeben betritt der Gast-DJ des heutigen Abends, Franck Roger (RealTone Records, Paris) den Innenhof des Club Supermarket. (Sandro) Bohnenblust geleitet ihn an seinen Arbeitsplatz, bestehend aus Notebook, CDJ und Mischpult.

Während Franck Roger die Crowd mit einem ausdruckstarken und tighten Arrangement aus teils deepen, teils reduziert-perkussiven, teils energetischen Peak-Time-Tracks beschallt, bereits ein kleiner Fingerzeig für sein späteres Set, richtet sich DJ Gallo in der DJ-Kanzel an den Plattenspielern ein. Das Züricher DJ-Urgestein, (Mit-)Begründer der legendären Montagsveranstaltung Cool Monday ist bzw. sollte den Freiburger Liebhabern – nicht nur – elektronischer (Tanz-)Musik spätestens seit seinen gemeinsamen Auftritten mit Rainer Trüby bekannt sein, zuletzt anlässlich einer Root Down vor nahezu zwei Jahren.

Sanfte, warme, langgezogene Akkorde legen sich über die Tanzfläche, verhallen in der Tiefe des Raumes während DJ Gallo fast unmerklich Bassläufe und Perkussionselemente einspielt. Er eröffnet sein Set entspannt und gefühlvoll – Musik für Körper, Seele und Geist. Ich bin geneigt, die Augen zu schliessen, abzuschalten, die empfindsam instrumentierten Klangflächen auf mich wirken zu lassen. Doch als Minuten später KT Brooks charismatische Soulstimme einsetzt – DJ Gallo blendet über in Dennis Ferrer feat. KT BrooksHow Do I Let Go – ist es um mich geschehen: ich stehe auf, nehme meine Begleitung an der Hand und strebe die Tanzfläche an. Wir setzen uns in Bewegung, mit uns tausende roter Lichtpunkte, die kreisförmig durch den Raum wandern. Innert kürzester Zeit hat mich der DJ, haben mich die Sounds, die er spielt, verzaubert. Wie könnte es auch anders sein bei Shiro von Âme, Kerri Chandlers Atmosphere EP, oder der Disco-Nummer “I Want Your Love” von Chic.

Takte später, und Franck Roger überzieht die mittlerweile randvolle Tanzfläche des Club Supermarket mit schweisstreibenden, pumpenden House-Beats, die nicht nur den Puls der Zeit sondern auch den meinen treffen. Weiche Melodien wie er sie noch für seinen eigenen Song “Salsa Moves You” produzierte – Fehlanzeige. Franck Roger präsentiert sich deep, düster und hart, rauh, ungeschliffen und dreckig, aus der Tiefe Detroits, Chicagos und New Yorks heraus. Beats, die an meine Schläfen klopfen, pochen und stampfen, scheinen gar die Mauern des Club Supermarket zu erschüttern; Bässe, hochenergetisch, direkt ins Zentrum gehend, und von ganz unten kommend, Franck Roger legt sein Set weder auf Tag- oder Nachtträume aus, Abfahrt bis zur Extase. Einzelne Tracks vermag ich kaum zu erkennen, was dazu führt, dass ich – wie so oft – an meinen (musikalischen) Kenntnissen zu zweifeln beginne. Stunden später erfahre ich jedoch von Franck Roger persönlich, dass er sehr viel “unreleased stuff“, noch unveröffentlichtes Material, durch die Lautsprecher gejagt hat.

Bekanntere Klänge hingegen im Innenhof; (Sandro) Bohnenblust, ein weiterer (Mit-)Ausrichter des Abends, blendet soeben ein in einen der Über-Tracks des Jahres 2005: Dennis Ferrer – Son Of Raw

(to be continued)
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